Von Thomas Grüner
Zahlreiche Marktbeobachter sorgen sich darum, dass der wichtige US-Anleihemarkt aufgrund einer geschwächten Käuferseite illiquide werden könnte. Auslöser für diese Diskussionen ist die Tatsache, dass japanische Versicherer und die Bank of Japan zur Unterstützung des schwachen Yen US-Staatsanleihen verkaufen und die Fed ebenso ihre Anleihekäufe schrittweise zurückführt. In einem düsteren Szenario würde das Angebot die Nachfrage spürbar übersteigen, jegliche Anleiheverkäufe würden sich negativ auf die Kurse auswirken, die Zinsen würden in die Höhe schnellen und letztendlich eine Finanzkrise verursachen.
Effekte sind zu gering
Aus unserer Sicht sind diese Ängste ein weiterer Beleg für die pessimistische Markstimmung, aber nicht wirklich substanzhaltig. Japan ist nicht die erste Nation, die den Verkauf von US-Staatsanleihen ankündigt. China und Russland haben ihr Engagement in den vergangenen Jahren erheblich reduziert, ohne dass es zu unangenehmen Folgen gekommen wäre. Nun hat Japan seine Bestände um etwa 100 Milliarden Dollar zurückgefahren – das klingt gewaltig, ist aber angesichts der Größenordnung des Marktes für US-Staatsanleihen von 24,4 Billionen Dollar eher zu vernachlässigen. Selbst wenn Japan sich dazu entschließen würde, seine gesamten Bestände zu verkaufen – was sehr unwahrscheinlich erscheint – würde es sich nur um 4,9 Prozent des Gesamtvolumens handeln.
Inflation belastet
Die Anleiheverkäufe auf japanischer Seite fielen zeitlich mit dem Anstieg der US-Zinsen zusammen. Allerdings waren sie nicht die Ursache dafür – für jeden Verkäufer gibt es einen Käufer und es ist nur entscheidend, zu welchem Preis sie sich einig werden. Unserer Ansicht nach hängt dies vor allem von der Inflation, den Inflationserwartungen und dem Ausmaß der Zinserhöhungen ab – den wichtigsten Triebkräften der Anleihemärkte überall auf der Welt. Der jüngste Inflationsbericht unterstreicht dies, da die Anleiherenditen unmittelbar stark reagierten.
Fed-Bilanz
Die gleiche Logik gilt für die monatlichen Abflüsse der Fed in Höhe von 95 Milliarden Dollar, davon 60 Milliarden Dollar in Schatzanleihen und 35 Milliarden Dollar in hypothekarisch gesicherten Anleihen. Die Fed hält derzeit etwas mehr als 8,1 Billionen Dollar an Gesamtvermögenswerten, davon entfallen 5,5 Billionen Dollar auf Schatzanleihen. Diese Abflussrate von 60 Milliarden Dollar bedeutet, dass monatlich etwa ein Prozent des ursprünglichen Bestands an Schatzpapieren die Fed-Bilanz verlässt – ein allmählicher Beginn eines mehr als siebenjährigen Abbaus, wenn er vollständig abgeschlossen wird.
Vielschichtiges Angebot
In der Zwischenzeit sollte man bedenken: Das tägliche Handelsvolumen von US-Staatsanleihen lag im Oktober bei durchschnittlich 574 Milliarden Dollar und seit Jahresbeginn bei 622 Milliarden Dollar. Weit mehr als eine halbe Billion Dollar Umsatz pro Tag übersteigt die Zahlen, von denen Experten sprechen, die sich um die Liquidität des Anleihemarktes sorgen. Hinzu kommt, dass die Emissionen des US-Schatzamtes (einschließlich neuer Angebote zur Ablösung fälliger Anleihen) in diesem Jahr im Durchschnitt über eine Billion Dollar pro Monat betragen haben – und die Auktionen waren durchweg überzeichnet.
Fazit: Der US-Anleihemarkt scheint uns sehr liquide zu sein, und das obwohl Anleihen in diesem Jahr in einen Bärenmarkt geraten sind. Die aufkeimenden Liquiditätsängste zeigen vor allem, dass die Stimmung die Realität weiterhin stark unterschätzt – und das ist letztendlich positiv für die Märkte.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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