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Orientierungshilfe für Zahlensaison

Mittwoch, 15. April 2020 um 21:32

Von Thomas Grüner
In den vergangenen Wochen hat der Aktienmarkt richtigerweise die gestiegene Wahrscheinlichkeit einer drohenden Rezession eingepreist. Diese Entwicklung wurde durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus ausgelöst, was viele Marktbeobachter nun vor die Frage stellt, wie hart der wirtschaftliche Schlag auf die fundamentale Entwicklung sein wird. Neben der kurzfristigen Auswirkung sind auch die langfristigen Folgen tendenziell ungewiss. In den kommenden Wochen werden viele Interessierte versuchen, aus der nun folgenden Berichtssaison die Tiefe der wahrscheinlichen Rezession herauszulesen – eine Anleitung, warum Sie das nicht versuchen sollten!

Was sagt der Markt?

Der tatsächliche Schaden auf die wirtschaftliche Entwicklung rund um den Globus ist und bleibt zum aktuellen Zeitpunkt ein Mysterium. Während die Schätzungen der Gewinnentwicklung des ersten Quartals 2020 im marktbreiten S&P 500 zum 14. Februar noch bei einem Wachstum von 2,1 Prozent lagen, sind diese inzwischen zum 09. April auf einen Rückgang von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert gesunken. Der weltweite Shutdown lässt die Zahlen für das zweite Quartal 2020 mit einem geschätzten Abschwung von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr sogar noch negativer werden. Erwarten Sie, dass diese Zahlen mit den ersten Veröffentlichungen variieren, die Richtung dürfte jedoch ähnlich bleiben.

Wie Sie damit umgehen sollten

Niemals in der Historie gab es kurzfristig einen derart immensen Schlag in der Privatwirtschaft. Die ungewöhnliche Entwicklung dieser Tage transferiert jegliche Modelle von Analysten zu primitiven Schätzungen. Die ersten Zahlen werden dabei helfen, diese Modelle neu zu kalibrieren und der Markt wird seine Erwartungen anpassen. Wichtig ist eine solche Anpassung vor allem, da wir uns in einer Zeit befinden, in der fast 300 Firmen des S&P 500 ihre Jahresprognosen zurückgezogen haben. Es entsteht das Bild, dass sich die Aktienmärkte und die Wirtschaft in einem Blindflug befinden.

Doch Jahresprognosen sind nur ein Hilfsmittel von vielen für den Markt, seine Prognosen aufzustellen. Sie sind hilfreich – normalerweise aber auch ein Hilfsmittel für Unternehmenslenker, die Prognosen nach unten zu drücken, um im Anschluss positiv zu überraschen. Die Tatsache, dass Firmen gerade keine Jahresprognose herausgeben, drängt unsere aktuelle Sichtweise jedoch geradezu auf: Die Dauer zählt mehr, als die Größenordnung. Sobald Firmen abschätzen können, wann sie wieder vollständig arbeiten können, sind diese Prognosen auch wieder möglich. Ebenso kann der Markt über verschiedene Parameter abschätzen, wie die langfristigen Auswirkungen sein werden – und erfüllt damit seine Funktion als effizienter Informationsverarbeiter. Die genannten Zahlen sind bereits vollumfänglich eingepreist – entscheidend wird die Differenz zwischen Realität und Erwartungshaltung für die kommende Zeit sein.

Fazit: Märkte schauen nicht auf das „Hier und Jetzt“, sondern preisen die zukünftige Entwicklung der kommenden 3 bis 30 Monate ein. In den vergangenen Wochen stand hierbei insbesondere die kurze Frist der genannten Zeitspanne im Fokus. Doch das wird sich ändern. Märkte sind effizient und noch weit vor positiven Wirtschafts- und Gesundheitsnachrichten werden die globalen Aktienmärkte wieder deutlich höher stehen als heute. Also konzentrieren Sie sich nicht auf die Tiefe der Rezession, sondern auf die Dauer – genauso wie es der Markt gerade tut.

Fragen zum Beitrag beantworte ich gerne per E-Mail an feedback@gruener-fisher.de.

Thomas Grüner
ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.


Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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