Von Bernd Niquet
Um Deutschland herum passieren merkwürdige Dinge – und um Europa herum gehen sogar teilweise die Lichter aus. Doch wir streiten hierzulande über die Ehe für alle. Zum Glück behalten wenigstens die Wirtschaft und die Finanzmärkte die Fassung, wenn ein Land, ein Kontinent und beinahe die gesamte Welt durchdrehen.
Es ist natürlich auch klar, warum das so ist. Das hat gerade die Grünenpolitikerin Renate Künast gesagt: „Ehe ist für alle genug da.“ Und mit dem Geld ist es ja auch nicht anders!
Die Politikwissenschaftlerin Wendy Brown von der University of California in Berkeley diagnostiziert den weißen Männer in den Machtzentralen des Westens die Sehnsucht nach dem großen Befreiungsschlag, nach einer Apokalypse. Apokalyptischen Populismus nennt sie diese Bewegung.
Na denn man los, denke ich. Ob unsere Kanzlerin das noch aufhalten kann? Bei der Homo-Ehe hat sie ja bereits aufgegeben.
Die Zweiteilung Europas könnte kaum klarer zu Tage treten als daran. In Polen und der Türkei wird derzeit die Evolutionstheorie aus den Schulbüchern getilgt, wir hingegen werfen binnen Jahren die Grundfeste unserer jahrtausendealten Kultur über den Haufen.
Denn es mache sich niemand etwas vor: Bei der „Ehe für alle“ wird es nicht bei zwei Ehepartnern bleiben. Wenn zwei Männer heiraten können, warum dann nicht auch drei? Und was ist mit den Tieren, würde die Tierlobby einwenden, wäre sie so mächtig wie die Autolobby.
Vielleicht sollte man jetzt in Tierfarmen investieren. Denn wenn die Menschen bald ihre Haustiere heiraten, um in den Genuss des Splittingvorteils zu kommen, wird das ein riesiges Geschäft.
Aber nein, ich will das alles moralisch nicht bewerten. Ich bin durchaus der Meinung, dass jeder so leben sollte, wie er mag, wenn das die Freiheit der anderen nicht einschränkt.
Ich habe jedoch einen einzigen Punkt und dieser Punkt macht mir massiv Sorgen: Wenn in einer Gesellschaft binnen kurzer Zeit von einer Minderheit extreme Reformen und Veränderungen durchgeboxt werden, schwingt das Pendel irgendwann ebenso heftig zurück.
Nach jeder Revolution folgt die Konterrevolution.
Für mich begann der extreme Pendelausschlag kulturell mit den 68ern und finanziell-wirtschaftlich mit der Reagan’schen Steuerpolitik in den 80ern. Da wurden Partikularinteressen allen anderen aufoktroyiert. Oder eben nur der Elite zugänglich gemacht. Seitdem ist das Pendel nicht mehr zurückgekommen, sondern immer noch weiter in dieselbe Richtung getrieben worden.
Sollte es in den nächsten Jahrzehnten nun wieder zurückschlagen, werden wir sehen, dass Leute wie Donald Trump nur ein lauer Vorgeschmack dessen sind, was noch kommen wird.
Ein bisschen mehr Gleichgewicht wäre daher angesagt, denke ich. Man kann nicht binnen einer, zwei oder drei Generationen alles ändern, was vorher in Jahrtausenden gewachsen ist.
Ich meine, natürlich kann man es trotzdem tun. Doch dann muss man sich auch darauf einstellen, was danach passiert.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* DAS ENDE EINES LANGEN ZYKLUS *** NEUES BUCH *******
Bernd Niquet, „IN TIEFSTEN SCHICHTEN“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2015, 327 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-95744-926-9.
Am besten portofrei direkt beim Verlag bestellen: www.engelsdorfer-verlag.de/db/autorwerke.php
Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.