Von Bernd Niquet
Die beste Illustration der gegenwärtigen Situation in Deutschland und Europa finde ich derzeit in dem Fall des katholischen Pfarrers, der von einer 72-jährigen gestalkt wird, die ihm eindeutige sexuelle Angebote macht und nackt in seinem Garten tanzt. Jetzt ist die Frau vor Gericht freigesprochen worden, weil entschieden wurde, dass sie unzurechnungsfähig ist.
Der CDU-Parteitag Anfang der Woche war allerdings keinesfalls lustig. Auf mich hat er mächtig gruselig gewirkt. Alles nur noch Kulisse, alles vorher abgesprochen und keinerlei Diskussionen mehr.
Die Kanzlerin zwingt nicht nur ihre Partei, sondern ganz Deutschland in ein System von Gegensatzpaaren hinein, aus dem es kaum mehr ein Entrinnen gibt. Dabei ist das keineswegs naturgegeben, nichts ist alternativlos. Wir stehen nicht vor unabwendbaren Aufgaben, sondern müssen uns mit den Konsequenzen von bewusst getätigten politischen Entscheidungen auseinanderzusetzen.
Merkels Gegensatzpaare erwürgen uns langsam und spalten nicht nur ein Land, sondern einen ganzen Kontinent.
Die Kanzlerin hat es zum Dogma erklärt, keinen Flüchtling an Deutschlands Grenzen abzuweisen. Begründung: Abschottung tauge nicht mehr im 21. Jahrhundert. Das jedoch ist eine vollkommen irrsinnige Argumentation. Wir sind doch ein weltoffenes Land. Und wer seine Tür nicht andauernd offen hält, sondern auch mal schließt, schottet sich doch nicht ab.
Die Null-oder-Eins-Entscheidung „Abschottung oder Weltoffenheit“ existiert nicht, es gibt sie nur in Frau Merkels Kopf. Gleiches gilt für die Alternative „Schaffen oder Überforderung“. In der Wirklichkeit gibt es immer beides – und alles dazwischen auch. Die Frage ist nur, ob man sich das auch wirklich alles aufladen muss.
Richtig erschreckt war ich, als ich das Folgende aus dem Mund unserer Kanzlerin gehört habe: Da sagte sie zu den Delegierten, natürlich würden sie es schaffen mit den Flüchtlingen, schließlich wären sie ja die CDU. Denn wenn sie es nicht schaffen würden, seien sie nicht die CDU. Doch sie wären eben die CDU.
Das, wie gesagt, sind nicht die logischen Wirrnisse einer Frau aus der Klapse, das hat unsere Kanzlerin auf dem Parteitag ihrer Partei gesagt.
Und was das Allerschlimmste ist: Weil Deutschland keinen Flüchtling von seinen Grenzen zurückschickt, bezahlen wir jetzt die Schergen eines Diktators, um für uns die Drecksarbeit zu machen und die Flüchtlingszahl zu reduzieren. Denn „Obergrenze“ darf ja niemand sagen, dieses schlimme Wort.
Auch das passt genauso wenig zusammen wie alles andere auch, was die Kanzlerin anpackt. Da redet sie davon, dass Abschottung keine Lösung wäre und wir niemanden abweisen, doch wenn die Türkei dass macht, ist das plötzlich in Ordnung. Mir fällt langsam kein anderes Wort mehr ein als: psychopathologisch.
Und die Medien berichten zwar sowohl über die Flüchtlingssituation als auch über den Deal mit der Türkei. Doch ein Junktim wird nicht hergestellt. Beide Nachrichten stehen nebeneinander, als hätten sie nichts miteinander zu tun.
Die einsame Flüchtlingspolitik unserer Regierung hat mittlerweile einen Riss zwischen Ost und West in Europa gebracht. Und nur weil dieser Riss so neu ist, ist der zweite Riss, nämlich der zwischen Nord und Süd, gänzlich aus dem Blickfeld gerückt. Doch auch hier spielt Frau Merkel eine zentrale Rolle.
Ich kann nur jeden Menschen, der noch einen Kopf zum Denken hat, dringlich dazu auffordern: Schaut, was im Süden passiert! Schaut vor allem auf Griechenland und auf Portugal! Es ist entsetzlich! Nur um den Euro zu halten, werden diese Länder an den Strick geliefert.
Die Sparpolitik, die der Euro erfordert, erwürgt diese Länder. Da werden nicht nur Generationen geopfert, sondern gesamte Nationen. Und das verkauft man uns dann sogar noch als Erfolg. Portugal hat den Rettungsschirm verlassen, doch Portugal ist heute ein Billiglohnland, bei dem die Menschen wie in der Dritten Welt von der Hand in den Mund leben.
Doch das alles wäre nicht nötig gewesen. Nicht nötig, nicht nötig, nicht nötig!!!
Und wenn jetzt nicht Weihnachten wäre, würde ich noch schreiben, wie oft ich gegenwärtig an Georg Elser und seinen Weitblick denke. Aber das lasse ich jetzt lieber weg und wünsche Ihnen und mir, Weihnachten einmal Abstand zu den Dingen zu gewinnen.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* DAS ENDE EINES LANGEN ZYKLUS *** NEUES BUCH *******
Bernd Niquet, „IN TIEFSTEN SCHICHTEN“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2015, 327 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-95744-926-9.
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