Von Thomas Grüner
Das diesjährige Treffen der großen Zentralbanken in Jackson Hole wurde mit Spannung erwartet – letztendlich lieferte die Konferenz jedoch keine überraschenden oder richtungsweisenden Impulse für die Aktienmärkte. Diese Erkenntnis sollte an sich keine Überraschung für Anleger darstellen, da die „Macht“ der Fed und ihre Fähigkeit, die „Märkte zu dirigieren“, seit vielen Jahren deutlich überschätzt wird.
Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell hatte wenig Neues zu sagen, in seiner Rede räumte Powell eine gewisse Normalisierung in Bezug auf die Inflation ein, bekräftigte aber auch seine Ansicht, dass eine „restriktive Geldpolitik“ notwendig sei, um die Inflation weiter abzukühlen. Auf Grundlage dieser Einschätzung werde die Fed bezüglich ihrer Entscheidungen zu einer weiteren Straffung der Geldpolitik vorsichtig vorgehen und weitere Daten abwarten.
Bekannte Tatsachen
Viele Experten begrüßen das scheinbar maßvolle Vorgehen der Fed, aus unserer Sicht wirft diese Formulierung aber auch Fragen auf. Ist dies ein Eingeständnis, dass die Fed-Politik zuvor nicht „vorsichtig“ war? Das haben wir uns schon im März 2020 gefragt, als die Fed ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriff, darunter eine aus der Hüfte geschossene Runde der quantitativen Lockerung. Damals argumentierte die Fed, die außergewöhnlichen Maßnahmen seien notwendig, um die Märkte zu beruhigen. Vielleicht – aber wir könnten uns auch vorstellen, dass ihre unerwarteten Maßnahmen die Panik noch verschlimmerten. Darüber hinaus war die wirtschaftliche Logik hinter der massiven Ausweitung der Geldmenge bei gleichzeitiger Verknappung des Angebots nie klar. Insgesamt stellen nicht viele die Weisheit oder Logik hinter Powells Rede in Frage – was unterstreicht, dass Jackson Hole in diesem Jahr sozusagen ein Non-Event war. Gerade Powells Grundsatzrede spiegelte eher die jüngsten Ereignisse der Vergangenheit wider, die bereits allen Marktteilnehmern längst bekannt waren.
Gelassenheit zählt
Anleger sollten die vermeintlichen Impulse aus Jackson Hole deshalb gelassen zur Kenntnis nehmen und den Blick schnell wieder auf zukunftsorientierte Sachverhalte richten. Selbst wenn Powell einen detaillierten Fahrplan vorlegen würde, haben geldpolitische Änderungen keine vorher festgelegten wirtschaftlichen Auswirkungen. Würde eine weitere Anhebung der aktuellen Leitzinsspanne um 0,25 Prozent die Bereitschaft der Unternehmen einschränken, in neue Anlagen zu investieren oder Arbeitskräfte einzustellen? Wir sind davon überzeugt, dass dies nicht der Fall ist. Gerade die US-Wirtschaft ist weitaus komplexer und die Unternehmen berücksichtigen neben der Geldpolitik viele andere Kriterien wie den Konjunkturzyklus, Gesetzgebung, Regulierung und Branchen- und Sektorentrends. Es gibt keine wirklichen Anzeichen dafür, dass eine Beibehaltung der hohen Zinssätze Auswirkungen auf die Märkte haben würde. Schließlich handelt es sich um den Status quo und nicht um eine Überraschung – und Überraschungen bewegen Aktien am meisten.
Fazit: Es ist weiterhin ein Irrglaube, dass die Fed (oder andere Zentralbanken) mit ihren Entscheidungen Wirtschaft und Märkte dirigieren können. Das bedeutet nicht, dass Anleger die Geldpolitik bei ihrer Analyse ignorieren sollten. Die Fed hat in der Vergangenheit bedeutende Fehler gemacht, daher lohnt es sich, ihr auf die Finger zu schauen. Wenn unter dem Strich dann aber eine vielbeachtete Rede herausspringt, die mit vagen, unverbindlichen Worten gefüllt ist, sollte der Fokus definitiv woanders liegen.
Fragen zum Beitrag beantworte ich gerne per E-Mail an feedback@gruener-fisher.de.
Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.