Von Bernd Niquet
Manche Dinge sind ja kaum zu glauben, wenn man sie liest. Die Handelsbilanz Russlands weist in den ersten sieben Monaten 2022 einen Überschuss in Höhe von 192,4 Milliarden US-Dollar aus gegenüber 75,7 Milliarden Dollar im Vorjahr. Und die Leistungsbilanz steigerte ihren Aktivsaldo sogar von 50,2 auf 166,6 Milliarden US-Dollar.
Der Rubel steht auf einem mehrjährigen Hoch und die Arbeitslosigkeit in Russland liegt auf dem Allzeittief seit 1992.
Und wie sieht es dagegen bei uns aus? Großer Gott! Bloß nicht hinschauen! Das mit den Sanktionen scheint also nicht zu funktionieren, jedenfalls nicht so, wie unsere Leute das sich ausgerechnet haben. Oder etwa doch?
Vieles ist auch reine Fassade, denn während wir einerseits Russland regelrecht anbetteln, uns weiterhin über Nord Stream 1 Gas zu schicken, würden wir es über Nord Stream 2 nicht nehmen.
Ob das nun eine große Auswirkung auf den Ukrainekrieg hat oder hätte? Ich fürchte eher, es vernichtet bei uns Teile der Industrie und des Mittelstandes.
Warum nehmen wir das alles so klaglos hin? Natürlich ist Putin ein brutaler Diktator, der einen widerlichen Angriffskrieg führt, doch wird es der Ukraine helfen, wenn wir jetzt den Industriestandort Deutschland, von dem wir leben, in die Pleite führen?
Ich komme auf dieses Thema deshalb, weil ich gerade in meinem neuen Buch an Sigmund Freuds Aufsatz aus dem Jahre 1920 arbeite, in dem dieser versucht, einen menschlichen Todestrieb abzuleiten.
Und zwar einen Todestrieb, der nicht pathologisch ist, sondern genauso zum Menschen gehört wie der Lusttrieb. Freud hat diese Gedanken später allerdings wieder aufgegeben, obwohl er fest daran geglaubt hat, weil er sie wissenschaftlich nicht fassen konnte. Doch würde er heute noch leben, wer weiß?
Ich selbst glaube auch nicht an die Existenz eines Triebes zur Selbsttötung, doch dass sich die Politik des Westens gegenüber Russland so dumm verhalten könnte, wie sie es jetzt tut, hätte ich niemals für möglich gehalten.
Irgendwie wirkt das alles tatsächlich fast wie der Versuch einer Selbstbeschädigung. Endlich ein Leben ohne Energie. Meine Mutter hat früher immer gescherzt: „Schad´ mir garnichts, wenn mir die Hände frieren, warum kauft mir mein Vater keine Handschuhe.“
Und wenn man dann noch Kantonisten wie die Grünen bei uns in der Regierung hat mit ihrem Atomkrafttrauma, kann man sich wirklich auf viele lange kalte Winter einstellen.
Denn die LNG-Terminals werden erst 2026 funktionsfähig sein und das jetzt bereits existierende schnell hochgezogene besitzt überhaupt keine Kapazität und stellt eine reine Beruhigungsmaschine für die Bevölkerung dar.
Ich denke, man hätte Russland vor dem Einmarsch in größtmöglicher Form drohen müssen, und wenn sie es dann doch gemacht hätten, finde ich viele Sanktionen des Westens wirklich sehr angebracht und wirksam.
Das mit den Rohstoffen hingegen funktioniert nicht und es kann auch gar nicht funktionieren. Denn Russland besitzt die größten Rohstoffvorräte der Welt. Und dieses Land jetzt in die Hände Chinas zu treiben, halte ich für eine epochale Katastrophe.
Zudem bringen wir durch die mit unseren Sanktionen verbundenen Verknappungen und Preisexplosionen einen großen Teil der Welt gegen uns auf.
Was würden Sie machen, wenn Sie ein Entwicklungsland mit hohem Energiebedarf zu leiten hätten? Würden Sie sich den Quacksalbern aus Europa anschließen, deren Reichtum derzeit nur durch das Drucken von Geld mehr schlecht als recht aufrechterhalten werden kann, oder würden sie von der Allianz Russland und China billige Energie beziehen?
Ich denke, diese Entscheidungen werden über die Struktur der Welt in den nächsten Jahrzehnten entscheiden.
Und es schad´ uns gar nichts, wenn uns die Hände frieren… .
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SIEBENTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2021, 635 Seiten, 22 Euro
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In Kleists Drama "Penthesilea" geht es um den Konflikt zwischen einem gefühlsintensiven Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung, die diesen Gefühlen entgegensteht. Penthesilea, die Königin der Amazonen, erobert im Kampf Männer, um sie zur Zeugung neuer Kriegerinnen mitzunehmen. Nach vollzogenem Zeugungsakt entlässt sie die Männer wieder in die Freiheit. Nur ihrem Geliebten stellt sie nach, was diesen letztlich sein Leben kostet. Kann es sein, dass ich in meinem Leben mehrmals nur haarscharf an vielem aus dieser Tragödie vorbeigeschrappt bin? Und dann ist ja auch noch Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist nur unweit meiner Wohnung freiwillig aus dem Leben geschieden.
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am wunderschönen grünen Rand seiner ansonsten mittlerweile ungeliebten Heimat Berlin. Die vorangegangenen sechs Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019 und 2020.
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