Von Armin Brack
Seit rund eineinhalb Jahren verfolge ich nun die Entwicklung der beiden bekanntesten Kunstaktien, der deutschen Artnet und der französischen Artprice. Die Kursentwicklung könnte dabei kaum unterschiedlicher sein. Während Artprice abhob und sich in der Spitze versechsfacht hat, konnte Artnet erst in den vergangenen Wochen nach dem Einstieg von neuen Großaktionären etwas aufholen. Ich bleibe trotzdem vorerst skeptisch. Lesen Sie, warum.
Was letztlich zählt, sind Umsatz- und Gewinnsteigerungen kombiniert mit hohen freien Cash-Flows, soll heißen: Der Gewinn muss tatsächlich einen steigenden Kassenbestand nach sich ziehen und nicht durch irgendwelche Bilanzkunststücke entstehen.
Genau hier liegt das Kernproblem von Artprice und Artnet. Beide haben interessante Geschäftsmodelle mit zukunftsträchtigen Auktionsplattformen, die auf umfangreichen Datenbanken basieren. Aber – um es mal mit Helmut Kohl zu formulieren – entscheidend ist, was hinten raus kommt – und das ist bisher nicht viel. Aber der Reihe nach:
Der charismatische Artprice-Chef Thierry Ehrmann versteht es durch gute Marketingarbeit, beispielsweise mit spannenden Interviews, die einer großen Leserschaft zugänglich gemacht werden, das Interesse an den eigenen Aktien zu wecken.
Dabei kann Ehrmann auch durchaus Spannendes zu berichten: Seit 14 Jahren kaufen Ehrmann und Co. systematisch Kunst-Manuskripte und Kataloge auf. Die angehäufte Informationsflut wurde dann von zeitweise mehr als 100 von Artprice beschäftigten Kunsthistorikern detailliert aufgearbeitet, ebenso die Biographien unzähliger Künstler.
In der unternehmenseigenen Online-Bibliothek können inzwischen 108 Millionen Abbildungen und Drucke von Kunstwerken abgerufen werden, beginnend vom Jahr 1700 bis heute. Insgesamt wurden mehr als 27 Millionen Auktionsergebnisse ausgewertet und so Preisindizes von mehr als 450.000 Künstlern angefertigt. Natürlich erfolgt eine ständige Aktualisierung mit neuen Auktionsergebnissen, die von rund 4.500 Auktionshäusern weltweit zusammengetragen werden.
Sogar eine unternehmenseigene Server-Infrastruktur wurde inzwischen aufgebaut, um eine Abhängigkeit von IT-Dienstleistern zu vermeiden. 80 Prozent der internationalen Auktionshäuser erstellen ihre Kataloge auf Basis der Echtzeit-Daten von Artprice. Die Einnahmen, die Artprice daraus erzielt, stagnieren aber bei rund 5 Millionen Euro jährlich. Das reicht meist gerade so, um unter dem Strich eine schwarze Null zu erzielen.
Liberalisierung von Kunstauktionen als Hoffnungsträger
Die Vision von Ehrmann ist jedoch eine andere: Er möchte Artprice zur größten Kunstauktionsplattform der Welt machen, zu einer Art Kunst-Ebay.
Dabei kann Artprice mit zwei mächtigen Pfunden wuchern: Zum einen mit der gigantischen Datenbank, zum anderen mit den inzwischen rund 1,4 Millionen Kunden, deren Vorlieben dank moderner IT-Software bekannt sind.
Künftig soll das zum Beispiel so funktionieren: Ein Auktionshaus möchte zeitgenössische Kunst von verschiedenen Künstlern verkaufen. Um entsprechende Käufer zu finden, entfallen oft 70 bis 80 Prozent des Auktionserlöses auf Werbung- und Marketingkosten. Über Artprice kann das Auktionshaus selektiv nur jene Kunden ansprechen, die diese Künstler verfolgen. Dafür verlangt Artprice dann 4,5 Prozent des Auktionserlöses.
Das heißt: Verkäufer finden einfacher und schneller Käufer und erzielen dabei noch höhere Margen, weil die Werbung- und Marketingkosten entfallen. Auch die entscheidende regulatorische Hürde ist inzwischen gemeistert.
Das Monopol für physische Auktionshäuser wurde durch ein entsprechendes Urteil am 20. Juli 2011 gekippt. Damit ist der Weg für Online-Auktionen auch ganz offiziell frei. Soweit die Theorie. In der Praxis lief das Auktionsgeschäft jedoch schleppend an.
Unter anderem gab es Probleme bei der Einsetzung eines Treuhänders, der bei den Auktionen als Mittelsmann fungieren kann. Das führte zu einem hohen Prozentsatz an abgebrochenen Auktionen.
Nun versucht Artprice, die Entwicklung des eigenen Marktplatzes für Festpreisverkäufe und Auktionen zu beschleunigen, in dem ein Großteil der Kunstmarkt-Datenbanken online als Freeware zur Verfügung gestellt wird.
Das kann zunächst zwar zu Umsatzrückgängen führen, soll gleichzeitig aber auch den Kundenkreis von 1,4 auf 2,0 Millionen erweitern.
Erfolge abwarten
Ob und, wenn ja, wann diese Strategie aber aufgeht, das ist aktuell immer noch sehr schwer zu prognostizieren. Daher ist auch eine faire Bewertung der Aktie schwer zu bestimmen. Bei einer aktuellen Marktkapitalisierung von 169 Millionen Euro ist natürlich ein gewisser Erfolg schon im Kurs eingepreist.
Zweimal gab es bei der Aktie bereits eine Art Adrenalin-Schub. Das erste Mal im Vorfeld der erwarteten Gerichtsentscheidung zur Liberalisierung und das zweite Mal nach dem offiziellen Launch der Online-Auktionsplattform.
Inzwischen ist die Euphorie aber merklich abgekühlt, nachdem klar wurde, dass die Online-Revolution in der Kunstbranche doch etwas länger dauern und schwieriger werden könnte, als dies in der Theorie der Fall war. Der Kurs kam von über 60 bis auf aktuell rund 26 Euro zurück.
Anleger sollten daher zunächst erste Erfolge in Form von tatsächlich steigenden Umsätzen und Gewinnen abwarten, bevor sie in die Aktie investieren.
Das Gleiche gilt für Artnet, die mit einer Marktkapitalisierung von aktuell 28 Millionen Euro nur einen Bruchteil der Größe von Artprice aufweisen. Artnet litt zuletzt sogar unter einem rückläufigen Kerngeschäft. Die Situation erinnert etwas an die von Ebay und der deutschen Ricardo.de in den Pionierzeiten des Internets.
Obwohl Ricardo deutlich kleiner war, was im auf Netzwerkeffekte basierenden Online-Geschäft ein massiver Nachteil ist, fand sich schließlich ein Aufkäufer. Ein ähnliches Schicksal könnte auch Arnet irgendwann blühen, was ja nicht zum Nachteil der Aktionäre sein muss. Dennoch rate ich auch hier, vor einem eventuellen Kauf operative Erfolge abzuwarten; zumal die Aktie in den vergangenen Wochen durch den Wechsel beim Großaktionär in der Spitze um rund 70 Prozent gestiegen ist.
Fazit: Der Kunstmarkt wird durch neue Marktakteure, zum Beispiel aus China und Russland, globaler, größer, spannender und profitabler.
Die Bedeutung von Kunstauktionen, die ausschließlich über das Internet abgewickelt werden, nimmt zu, allerdings langsamer als sich dies Auktionsplattformen wie Artprice oder Artnet erhofft haben.
Während die Aktien von Artprice und Arnet jede Menge Phantasie versprühen, sind die messbaren Erfolge in Form von Umsatz- und Gewinnsteigerungen noch gering. Die Bewertungen, insbesondere die von Artprice, enthält aber schon einiges an Phantasie.
Anleger sollten daher beide Aktien auf die Watchlist setzen, aber vor einem Kauf zählbare Erfolge abwarten.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Report.
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