Von Armin Brack
Der Dax marschiert von Hoch zu Hoch und befindet sich oberhalb von 6.500 Punkten auf einem Niveau, das wir zuletzt im August 2011 gesehen haben. Welche Branchen en vogue sind und welche Aktien vor Ausbrüchen auf neue Hochs stehen, lesen Sie im nachfolgenden Trend-Report.
Man merkt, dass der deutsche Aktienmarkt ein Krisenjahr hinter sich hat. 2011 hinterlässt Spuren in den Rankings. Die Zahl echter Trendaktien ist immer noch sehr überschaubar.
Die Softwareschmiede Atoss hat zuletzt ein neues 52-Wochen-Hoch markiert. Der Fokus der Atoss-Produkte liegt dabei auf Personaleinsatzplanung. Seit Jahren glänzt Atoss mit konstant hohen Margen, hohen freien Cash-Flows und hohen Dividendenausschüttungen. Das führt kurstechnisch zwar zu einem erfreulichen Trend, allerdings ohne besondere Aufwärtsdynamik.
Kritiker bemängeln bei Atoss, dass der Vorstand auf einem immer weiter wachsenden Berg an Barmitteln sitzt und diesen in diverse Wertpapiere und Gold investiert, statt in den Ausbau des operativen Geschäfts. So wird Atoss nie eine echte Trendrakete werden, aber eine interessante Alternative für Anleger, die auf hohe Dividenden stehen.
Zudem besteht die Möglichkeit, dass doch früher oder später eine Sonderausschüttung angekündigt werden könnte, was dann kurzfristig ebenfalls den Kurs beflügeln würde.
Eine Art Dauerbrenner ist der Online-Reifenhändler Delticom. Eine herausragende Marktstellung in Europa macht die Hannoveraner zum Hauptprofiteur des E-Commerce-Trends, der speziell bei Autoreifen stark ausgeprägt ist. Immer mehr Händler bestellen ihre Waren über das Internet. Bei einem aktuellen Webanteil von erst 6 bis 7 Prozent könnte bald eine kritische Masse erreicht werden, ab der ein exponentielles Wachstum für den Online-Sektor zu erwarten ist.
Zudem hat Delticom auch in China erfolgreich den Markteintritt vollzogen. Hier setzt man auf starke lokale Partner. Aus meiner Sicht der richtige Weg. Gut positionierte Internetfirmen sind begehrte Übernahmeziele. So besteht auch bei Delticom - ähnlich wie bei Atoss - Übernahmephantasie.
Der Standort Hannover und die Geschäftsverbindungen zum Reifenhersteller Continental lassen aufhorchen.
So wurde zuletzt mit Hotel.de ein weiteres kleines deutsches Internetunternehmen mehrheitlich von der HRS Hotel Reservation Service GmbH aufgekauft. Langfristaktionäre können sich darüber aber nur bedingt freuen, denn die Aktie notiert aktuell ziemlich exakt auf Höhe des Ausgabepreises vom Oktober 2006 bei 21,50 Euro.
Die Geduld hat sich hingegen für die wenigen freien Aktionäre von Leica Camera ausgezahlt. Im Rahmen eines Squeeze-Outs durch die Lisa Germany Holding, die mehr als 97 Prozent der Aktien hält, wurde eine Barabfindung von 30,18 Euro festgelegt. Noch im Oktober 2011 lag der Kurs bei 17 bis 18 Euro. Hartnäckige Anteilseigner spekulieren nun auf eine nochmalige Nachbesserung im Rahmen eines Schiedsgerichtsverfahrens. Daher liegt der Kurs aktuell sogar noch rund 1 Euro über dem Abfindungsangebot.
Zwei Medienaktien als Top-Performer
Alles andere als erfolgsverwöhnt waren im vergangenen Jahrzehnt Anleger, die auf Medienaktien gesetzt haben. Speziell im Filmbereich gab es hier im wahrsten Sinne des Wortes häufig mehr Schein als Sein. Gelder aus den Börsengängen wurden speziell zu Neuer Markt-Zeiten in atemberaubender Geschwindigkeit verbrannt. Hochtrabende Pläne niemals umgesetzt.
Zu dieser Spezies an Unternehmen gehörten auch Senator Entertainment und Splendid Medien, die im Gegensatz zu einigen Mitstreitern aber immerhin überlebt haben.
Der Ausgabepreis von Senator am 29.01.1999 lag bei 38 Euro. Der erste Kurs - halten Sie sich fest - bei 135 Euro. Was für verrückte Zeiten wir doch damals hatten. Aktuell liegt der Preis bei 0,94 Euro. Nichtsdestotrotz sind die Anleger in diversen Foren euphorisch, seit Ex-Unternehmer-Wunderkind Lars Windhorst mit seiner Sapienda AG bei den Berlinern eingestiegen ist. Tatsächlich konnten in der Folge interessante Deals abgeschlossen werden.
Mit Relativity Media, der Firma des US-Unternehmers Ryan Kavanaugh, konnte zudem eine echte Größe im US-Filmgeschäft als weiterer Aktionär und für eine Kooperation gewonnen werden. Ich rate hier dennoch vorläufig zur Zurückhaltung. Die Eigenkapitalquote liegt unter 10 Prozent. Trotz der namhaften Großaktionäre ist Senator immer noch arm wie eine Kirchenmaus. Eine Kapitalerhöhung dürfte also anstehen - und man darf gespannt sein, zu welchem Kurs.
In der Vergangenheit war Windhorst für die freien Aktionäre, die ihm gefolgt sind, kein Segen. Erinnert sei an verlustreiche Engagements bei Balda, Air Berlin oder die US-Pump&Dump-Masche Remotemdx.
Wesentlich solider erscheint im Vergleich dazu Splendid Medien. Der Kölner Independent-Filmhändler hat zwar keine großen Namen und auch keinen US-Aktionär zu bieten, dafür aber zwei nicht ganz unwichtige Features zu bieten, die Senator nicht hat: Operative Gewinne und eine solide Bilanz.
Zudem wurde zuletzt ein neuer Lizenzvertrag für den belgischen TV-Markt geschlossen und über die Tochter WVG Medien ein eigenes Musiklabel gegründet. Letzteres ist angesichts der aktuell darbenden Musikbranche ein eher gewagtes Unterfangen.
Trotzdem: Die Nachricht in Kombination mit einem 2011er-KGV von gerade mal sechs sorgte für einen Ausbruch der Aktie auf ein neues Mehrjahreshoch.
Ein klares charttechnisches Kaufsignal! Weitere Kursphantasie bietet zudem die Video-on-Demand Plattform Videociety.
Kooperationen mit Fernsehgeräte-Herstellern wie Sharp sowie der stetige Ausbau des Filmangebots sind vielversprechend.
Mit einer Marktkapitalisierung von nur 16 Millionen Euro gehört Splendid allerdings zu den Minis auf dem deutschen Kurszettel und ist alleine auf Grund der geringen Größe schon relativ spekulativ.
Wer es solider und größer mag, sollte einen Blick auf die Modebranche werfen:
Gerry Weber und Hugo Boss en vogue
An den beiden deutschen Premium-Schneidern Gerry Weber und Hugo Boss ging die Eurokrise in 2011 spurlos vorbei - zumindest was die Aktienkursentwicklung betrifft. Monatelang waren die Vorzugs- und Stammaktien von Boss quasi die einzigen deutschen Papiere aus dem MDax-Segment, die neue Hochs erklommen. Im vergangenen halben Jahr kam der Kurs allerdings ins Stocken. Das lag jedoch nicht an schlechten News. Die Aktie war zwischenzeitlich mit einem 2011er-KGV von deutlich über zwanzig und einer Kursverdopplung innerhalb eines Jahres schlicht der realen Entwicklung etwas vorausgeeilt.
Nun zeigt sich aber: Boss bleibt weiter in der Erfolgsspur. Die Zahl der eigenen Shops steigt rapide an. Besonders in den Schwellenländern läuft es glänzend. Der Gewinn je Aktie soll von 3,89 Euro in 2011 auf 4,40 Euro in 2012 und 5,00 Euro in 2013 steigen.
Das Ganze wird garniert mit einer hohen und sich ebenfalls dynamisch nach oben entwickelnden Dividende. Die Aktie ist auf aktuellem Niveau kaufenswert.
Fundamental ebenfalls stark, aber charttechnisch noch spannender ist Gerry Weber. Hohe Margen und der Erfolg der eigenen Shops stehen bei den Hallensern im Mittelpunkt. Die Dividendenrendite ist mit 2,9 Prozent nicht ganz so attraktiv wie die 4,5 Prozent bei Hugo Boss.
Dafür hat die Aktie aber endlich den charttechnischen Ausbruch über die 2011er-Hochs geschafft und notiert nun auf Allzeit-Hoch-Niveau. Kurse um 30 Euro sind kurzfristig drin.
Fazit: Echte Branchentrends sind im Moment am deutschen Aktienmarkt nicht zu erkennen. Stock Picking ist angesagt und hier ergeben sich einige interessante Kaufchancen bei Trendwerten. Atoss, Delticom, Splendid Medien und Gerry Weber bieten ein ausgewogenes Chance-Risiko-Verhältnis und zählen daher zu meinen Favoriten.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Report.
Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.