Von Bernd Niquet
Da sagt man gerade wieder, Russland werde stetig mehr zu einer Diktatur und beschränke die Freiheiten des Einzelnen. Doch was ich in Zeitung lese, kann man auch anders verstehen.
Da steht, das neue Parlament habe folgenden Beschluss gefasst: Wer an einer nicht genehmigten Kundgebung teilnimmt, muss künftig mit Strafen von bis zu 300.000 Rubel (etwa 7.400 Euro) rechnen. Den Organisatoren droht sogar ein Bußgeld von 1 Million Rubel (etwa 24.600 Euro).
Nun kann man natürlich darüber streiten, welche Demonstrationen erlaubt und welche verboten werden. Doch im Prinzip reagiert man hier perfekt marktwirtschaftlich, bestraft nicht direkt, sondern setzt monetäre Anreize.
Wenige Seiten später lese ich in derselben Zeitung einen Bericht aus Berlin, der Stadt, in der ich wohne. In einem Innenstadtbezirk hat ein Mann seine Frau umgebracht, enthauptet und wohl vor den Augen seiner sechs Kinder zerstückelt.
Ich zitiere dazu den sehr seriösen „Tagesspiegel“ vom 7. Juni 2012: „Weil keine vorsätzliche Tat gegeben ist mit den nach deutschem Recht geltenden Mordmerkmalen wie Habgier, Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Heimtücke und Grausamkeit, wird gegen Orhan S. derzeit auch nur wegen Totschlags ermittelt. Das Mordmerkmal der Grausamkeit, das dem Opfer zugefügte besondere Qualen voraussetzt, trifft nicht zu, weil er seine Frau erst köpfte und zerstückelte, als sie schon tot war … Während Mord mit lebenslanger Haft bestraft wird, kann ein Totschläger mit fünf Jahren Gefängnis davonkommen.“
Ich denke, russisches Recht, deutsches Recht – am besten, man geht gar nicht demonstrieren, und im Notfall den Kopf immer erst hinterher abtrennen. Das scheint mir überhaupt ein guter Lehrsatz zu sein: Den Kopf immer erst hinterher abtrennen.
Und ich habe noch was: Immer auf die Vornamen schauen! Immer, wenn es schlimme Verbrechen gibt, schaue ich auf die Vornamen. Die Nachnamen dürfen ja nicht veröffentlicht werden. Doch die Vornamen sind echt. Und ich sage Ihnen, was man dabei für ein Bild bekommt, macht einen ganz fertig.
Wenn ich mir jetzt auch noch zu Bewusstsein rufe, was ich neulich im Fernsehen über die Lebensmittelindustrie gesehen habe, über die Versicherungen und die Krankenkassen, und wenn ich zusätzlich daran denke, was in dem wundervollen Film „Home“, bei dem uns die Erde von oben gezeigt wird, alles zu sehen ist, dann weiß ich nicht nur gar nicht mehr, was ich sagen soll, sondern nicht einmal, ob ich überhaupt noch etwas sagen soll.
Machen Demokratie und Information wirklich mündig? Oder senkt sich dabei nur ein bleiernder Mehltau auf unsere Glieder, der uns an nichts anderes denken lässt als daran, wie glücklich sich doch derjenige schätzen kann, der durch reines Glück und Zufall von den ganzen Katastrophen verschont geblieben ist?!
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
***********************UND VERGESSEN SIE NIE: DIE WIRKLICHE WAHRHEIT LIEGT IMMER JENSEITS DES GELDES !!!
BUCH-NEUERSCHEINUNG: Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes“, Leipzig 2011, 506 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-86268-408-3.
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Das Geld hat den Menschen aus langen historischen Abhängigkeiten befreit. Wer heute etwas haben möchte, bezahlt mit Geld und muss keine anderweitigen Gegenleistungen mehr anbieten. Die meisten Bereiche unseres Lebens liegen allerdings jenseits des Geldes. Wie steht es jedoch jenseits des Geldes mit der Freiheit? Bernd Niquet verfolgt den Lebensweg einer Gruppe von Menschen und stellt fest, dass selbst der Wegfall materieller Restriktionen uns nicht von unseren alten Fesseln befreit. Im Gegenteil, die Vergangenheit bestimmt weit stärker über uns als die gesamte Geldsphäre das je vermag.