Von Bernd Niquet
Egal, welche Zeitungen ich nicht nur in der Woche der Bundespräsidentenwahl gelesen habe, überall findet sich der gleiche Tenor: Die Politiker haben nicht mehr das Format wie früher einmal, es wird nicht mehr auf die Bürger gehört, die Politik ist ein in sich geschlossener Zirkel. Da liest man von der Entfremdung der Politik, der Unverantwortlichkeit der Politiker und fragt, wie lange die Bürger das noch mitmachen und ob wir letztlich nicht die Politiker haben, die wir verdienen.
So weit, so gut. Doch: Na und! Gibt es denn tatsächlich eine Alternative?
Mich stört an all den Diskussionen und bedeutungsschweren Pressekommentaren, dass überall so getan wird, als bestehe tatsächlich die Möglichkeit, es grundsätzlich anders zu machen als es gegenwärtig ist.
Ich bestreite diese Möglichkeit. Sie ist reine Augenwischerei.
Schauen wir uns dazu das Staatsbudget an. Zuerst die Ausgabenseite: Der Hauptteil wird überwiegend durch die Soziallasten verbraucht. Dann kommt noch die Verteidigung und der Rest ist eigentlich quantitativ nicht mehr erwähnenswert. Und auf der Einnahmeseite: Ein durch Lobbyismus in Gänze undurchschaubares Steuersystem.
So – und was will man daran nun ändern? Wollen wir die Sozialausgaben heftig kürzen? Hoffen wir auf ein Wirtschaftswunder, dass diese Lasten plötzlich heftig verringert? Wollen wir unsere Verteidigung ganz aufgeben? Wird sich noch jemand gegen die Interessengruppen zur Reform des Steuersystems durchsetzen? Will man sie etwa alle erschießen? Ich denke, man kann alle diese Fragen guten Gewissen mit einem NEIN beantworten.
Und das heißt: Wir sind gefangen, einfach gefangen. Die Entwicklung läuft beinahe wie ein Naturgesetz ab. Einerseits: Je freier der Markt, umso größer das Ungleichgewicht der Einkommen und Vermögen, das eine freie Gesellschaft jedoch nicht dulden kann und darf. Und andererseits: Je mehr Zeit vergeht, umso komplizierter wird selbst die einfachste Regelung.
In diesem Zusammenhang muss man einmal darauf hinweisen, dass ein freies Marktsystem und eine an sozialen Standards orientierte Demokratie durchaus nicht besonders gut zusammen passen. Das alles ist fatal – und trotzdem leben wir damit so gut wie niemals zuvor in den letzten hunderttausend Jahren.
Wie es geht, wenn man tatsächlich etwas signifikant anders machen möchte, kann man derzeit an der FDP sehen. Sie ist an den Verhältnissen gescheitert. Wir alle sind an den Verhältnissen gescheitert und werden immer weiter an den Verhältnissen scheitern. Die Einzigen, die das nicht tun, sind die Kommentatoren und Leitartikler in Presse, Funk und Fernsehen. Sie können immer wieder ihre Gebetsmühlen herunter beten, wohl wissend, dass das alles Unsinn ist und sich sowieso nichts mehr ändern lässt. Aber sie müssen ja auch nicht die Probe aufs Exempel liefern.
Ist diese These von der Unveränderbarkeit der Verhältnisse nun ein positiver oder ein negativer Befund? Ich bin mir da selbst noch nicht im Klaren.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
… UND ALS STRANDLEKTÜRE FÜR DEN URLAUB:
Bernd Niquet, "Wie ich die Finanzkrise erfolgreich verdrängte", Leipzig 2010, 465 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86901-830-0.
Einige prominente Stimmen zum Buch:
„Es hat mir die Augen geöffnet.“ Bernard L. Madoff
„Ich schreibe seitdem ein eigenes Buch.“ Jérôme Kerviel
„Wir sind noch gar nicht tot.“ Richard Fuld
„Ich auch nicht.“ Bernard Cornfeld
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