Von Jochen Steffens
Unlängst hörte man aus Japan, daß die Deflation die Wirtschaft erneut im Griff habe. Das Hauptproblem: Ein Überangebot an Waren und Dienstleistungen. Die japanische Notenbank rechnet sogar damit, daß Japan noch bis zu drei Jahre lang in einer Phase fallender Preise bei gleichzeitig moderatem Wirtschaftswachstum bleiben werde.
Interessant ist diese Entwicklung auch im Zusammenhang mit dem Dollar. Da die Zinsen in den USA zur Zeit quasi bei Null liegen, eignet sich gerade der Dollar wie bis vor einiger Zeit der Yen als Carry-Trade-Währung.
Carry-Trade bedeutet, daß Anleger in Dollar (oder eine andere Währung) zu niedrigsten Zinsen Kredite aufnehmen und dieses Geld in einer starken Währung mit hohen Zinsen anlegen. Solange der Wechselkurs stabil bleibt oder der Dollar sogar weiter Schwäche zeigt, ist das ein riesiges Geschäft. Man verdient Geld quasi aus dem Nichts. Doch hier verbergen sich auch hohe Risiken. Was natürlich nicht passieren darf, ist, daß der Dollar plötzlich Stärke zeigt. Dann wird es kritisch. Steigt der Dollar, wird damit sozusagen der reale Wert der Schulden größer. Da die gewinnbringende Zinsdifferenz meist nicht sehr hoch ist, wird oft viel Geld in solche Carry-Trades investiert, um eine halbwegs brauchbare Rendite zu erzielen. Unerwartete Währungsschwankungen können dann nicht nur sehr schnell den Gewinn auffressen, sondern sogar empfindliche Verluste bewirken.
Momentan verbessern sich die wirtschaftlichen Aussichten in den USA zumindest auf dem Papier. Das könnte Zinserhöhungen bewirken, die wiederum nicht nur Einfluß auf den Dollar haben werden, sondern auch auf mögliche Gewinne bei den Carry-Trades.
In Japan hingegen scheinen nach den Nachrichten der vergangenen Wochen auf absehbare Zeit Zinserhöhungen kaum mehr durchsetzbar. Die Wirtschaft kämpft und fast täglich kommen neue schlechte Nachrichten. Am Donnerstag zum Beispiel schwache Auftragseingänge für den Maschinenbau.
Wir versetzen uns einen kurzen Augenblick in einen Anleger hinein, der einen Carry-Trade eingehen möchte. Bis vor kurzem war allgemeiner Konsens, daß der Dollar aufgrund der enormen Staatsverschuldung und der wirtschaftlichen Schwäche weiter fallen wird. Japan hingegen galt als unterbewertet, zumindest bezüglich des Aktienmarkts. Vor einigen Monaten sah zudem die Welt in den USA noch deutlich schlechter aus als in Japan.
Also war der Dollar ein perfektes Objekt für einen Carry-Trade. Doch jetzt sieht die Welt in den Augen unseres Carry-Traders wieder anders aus: Sollte sich die wirtschaftliche Erholung in den USA tatsächlich fortsetzen, muß jederzeit mit Zinserhöhungen gerechnet werden. Und natürlich, die Börse nimmt solche Entwicklungen vorweg! Also wird der Dollar wahrscheinlich viel früher schon Stärke zeigen.
So schnell kann es gehen, unser Carry-Trader hat auf einmal mehrere mögliche Szenarien gegen sich laufen. Würden Sie sich nicht angesichts der nun offenkundigen Schwäche der japanischen Wirtschaft auch dazu entschließen, den US-Dollar-Carry-Trade gegen einen Yen-Carry-Trade einzutauschen? Dazu müßten Sie sich einfach nur in Yen verschulden und mit diesem Geld die Dollar-Schulden ausgleichen. Sie verkaufen damit quasi den Yen und kaufen anschließend Dollar. Das stärkt den Dollar.
Das bedeutet, in nächster Zeit werden zwei unterschiedliche Kräfte auf den Dollar einwirken: Eine positive Entwicklung der US-Wirtschaft wird sich stützend auf den Dollar auswirken. Sollte die Fed etwas später Zinserhöhungen beschließen, wird dieser Effekt zunächst einmal verstärkt werden. Hinzu kommt, dass Carry-Trades aufgelöst werden. Das wird sich zusätzlich positiv auswirken.
Natürlich gibt es aber auch nach wie vor eine Vielzahl von schwächenden Aspekten: Die hohe Staatsverschuldung, das Handelsdefizit, die Finanzkrise.
Zu bedenken ist vor diesem Hintergrund, daß die aktuelle Stärke im Dollar auch eine Schwäche des Euro sein könnte. Schließlich gab es in Europa in den vergangenen Wochen mehrere Rating-Herabstufungen.
Sollte der Euro/Dollar nun am unteren Ende der Seitwärtsbewegung einen Boden ausbilden und anschließend ansteigen, werden auch die US-Indizes anziehen. Wichtig ist daher die Fed-Sitzung und das entsprechende Statement in der kommenden Woche.
Jochen Steffens ist Chefredakteur des kostenlosen Newsletters "Steffens Daily". Weitere Informationen finden sie hier.